Wie viel Zeit braucht man für den Jakobsweg?

Veröffentlicht von Kristina am

Eine der Fragen, die mir oft über den Jakobsweg gestellt wurde war ‚wie viel Zeit braucht man für den Jakobsweg?‘ Tatsächlich ist die Antwort denkbar einfach, trifft sie doch auf viele Situationen im Leben zu.

Der Jakobsweg braucht so viel Zeit, wie man ihm gibt.

Ich selbst war 42 Tage auf dem Jakobsweg und bin dankbar für jeden einzelnen Tag. Jeder einzelne Tag war auf seine Weise ganz besonders und ich bin sehr froh, dass ich so viel Zeit auf dem Weg verbringen durfte.

Ist der Jakobsweg nicht irgendwann zu Ende?

Tatsächlich könnte man denken, der Jakobsweg endet ja in Santiago de Compostela. Tatsächlich ist dies auch das Ziel der meisten Pilger. Allerdings sollte dies kein Grund sein, hier Deinen Weg zu beenden, wenn es sich noch nicht nach dem Ende anfühlt. Für mich selbst war Santiago de Compostela nur ein kurzer Zwischenstop. Im Gegensatz zu den meisten Pilgern habe ich hier nur ein paar wenige Stunden verbracht. Als ich hier ankam, war ich überfordert von den Massen an Pilgern, die ich hier sah. Es zog mich wieder zurück in die Natur und die Bewegung. Daher setzte ich meinen Weg nach ein paar Stunden weiter fort.

Phasen einer Pilgerreise

Grundsätzlich sind die Erfahrungen, die jeder auf dem Jakobsweg macht, sehr verschieden. Nichtsdestotrotz gibt es Phasen, die fast jeder, mit dem ich geredet habe, durchläuft. Der eine mehr, der andere weniger intensiv.

Anfänglicher Enthusiasmus

Die ersten Kilometer auf dem Jakobsweg sind einfach unglaublich aufregend. Ganz egal, ob Du den Jakobsweg zum ersten Mal läufst, oder schon mehrmals hier warst. Anfänglich läuft es sich fast wie von selbst. Nachdem Du Dich lange darauf gefreut hast, endlich loszulaufen, ist es nun endlich so weit.

Gerade zu Beginn ist die Vielzahl der Eindrücke auf dem Jakobsweg nahezu überwältigend. Im Gegensatz zu Deinem normalen Alltag verbringst Du ganze Tage in der Natur und in Bewegung. Je nachdem, wie Dein normaler Alltag aussieht, ist das etwas, was Du zu Hause nur selten erlebst. Zudem wirst Du auf den meisten Wegen viele Menschen treffen, die ein ähnliches Ziel haben. Jedoch wirst Du nicht nur viele Menschen treffen, sondern auch viel Zeit mit Dir selbst verbringen dürfen. Und auch das kann zu Beginn durchaus überwältigend sein. Schließlich kommt genau dies im Alltag häufig zu kurz.

Die Zeit der ersten Zweifel auf dem Jakobsweg

Meistens am sechsten oder siebten Tag ist die Anfangseuphorie dann auch verflogen. Dies konnte ich sowohl bei mir selbst als auch bei vielen meiner Mitpilger beobachten. Zum ersten Mal stellte der eine oder andere in Frage, ob er weiterlaufen solle. Darüber hinaus ließen sich auch die ersten Schmerzen nicht mehr ohne weiteres ignorieren. Das frühe Aufstehen fing an zu nerven und natürlich wurde plötzlich auch jeder Meter Asphalt zur Qual.

Tatsächlich geht dieser Tag vorbei. Ich habe niemanden getroffen, der am nächsten Tag immer noch ernsthaft daran gedacht hat, seine Reise abzubrechen. Manchmal gibt es einfach Tage, die sind weniger cool als andere Tage und das ist völlig normal. Nachdem mein siebter Tag vorbei war, habe ich am Morgen des achten Tages meine Schuhe angezogen und war einfach nur dankbar. Dankbar dafür, auf dem Jakobsweg zu sein zu dürfen. Und dankbar dafür, dass ich mehr als nur eine Woche hier sein durfte.

Wenn der Muskelkater geht

In den Monaten bevor ich auf dem Jakobsweg startete, hatte ich viele Tage auf dem Rad verbracht. Jedoch blieb auch mir Muskelkater in den ersten Tagen nicht erspart. Die Bewegung ist halt doch eine andere. Zudem trägt man plötzlich auf jedem Meter des Weges ein paar Kilo Extra-Gepäck auf dem Rücken mit sich herum.

Sicherlich kann man sich mit gezielten Übungen auf das Gepäck vorbereiten. Allerdings hatte ich mich sehr kurzfristig dafür entschieden, den Jakobsweg zu gehen, so dass hierfür keine Zeit blieb. Glücklicherweise sind die Muskeln sehr schnell in der Lage, sich an veränderte Belastungen anzupassen. Und ein wenig Muskelkater verstärkt ja auch gleichzeitig das Gefühl, dass man aktiv war. Zudem ist der Muskelkater meistens auch nach den ersten Kilometern wieder verschwunden.

Wenn Du zu Beginn sehr starken Muskelkater hast, spricht auch nichts dagegen, mal einen Tag Pause einzulegen. Letzten Endes ist der Jakobsweg ja auch ein Weg zu Dir selbst, daher solltest Du auf Deinen Körper hören. Und wenn Dein Körper bereits nach wenigen Tagen eine Pause möchte, spricht nichts dagegen, sie ihm zu geben.

Irgendwann kommt dann der Morgen, an dem Du aufwachst und Deine Muskeln nicht mehr weh tun. Ich weiß nicht mehr genau, wann es bei mir so weit war. Aber allein für dieses Gefühl lohnt es sich, länger zu laufen, als der Muskelkater bleibt.

Die Zeit auf dem Jakobsweg anzukommen

Jeder hat seine eigene Geschichte, die ihn dazu gebracht hat, den Jakobsweg zu laufen. Und diese Geschichte ist unser stetiger Begleiter auf dem Jakobsweg. Je länger Du jedoch auf dem Jakobsweg unterwegs bist, umso unwichtiger wird Deine Geschichte werden. Es ist wie ein Päckchen, dass Du jeden Tag aufs Neue auf Deinen Rücken lädst. Und jeden Tag wird Dein Päckchen ein wenig leichter werden. Jedes Päckchen hat zu Beginn eine andere Größe und jedes Päckchen wird in einem anderen Tempo leichter.

Meinen Grund, weshalb ich beschlossen hatte, den Jakobsweg zu gehen, hatte ich bereits als ich in Südfrankreich ankam vergessen. Allerdings hatte auch ich ein paar Gedanken, die in der ersten Zeit meine ständigen Begleiter waren. Jedoch wurden diese im Laufe der Zeit leiser. Und irgendwann waren sie so leise, dass sie in Vergessenheit gerieten. Ich denke, es dauerte etwa 2 Wochen, bis ich diesen Punkt erreichte.

Laufen als Gewohnheit

So abwechslungsreich die Zeit auf dem Jakobsweg ist, so gleichförmig sind die Tage auf dem Jakobsweg. Jeden Morgen stehst Du auf und packst Deinen Rucksack. Vielleicht isst Du noch etwas, bevor Du los läufst. Oder Du wartest, bis Du am ersten Café vorbei kommst und machst dort eine Frühstückspause. Irgendwann ist es an der Zeit, Dir eine Unterkunft zu suchen. Anschließend folgt fast jeden Abend die gleiche Routine: Duschen, Kleidung waschen, Essen, Schlafen.

Setzt man sich mit dem Thema auseinander, wie Gewohnheiten entstehen, dauert es wohl etwa 20 Tage, bis aus einer täglichen Handlung eine Gewohnheit wird. Oder zumindest bis es jeden Tag einfacher wird, der selben Routine zu folgen. Angeblich hat der eine oder andere Pilger nach 21-23 Tagen noch einmal einen Punkt, an dem er den Sinn seiner Reise hinterfragt. Ich weiß nicht, ob dies mit den Theorien zu Gewohnheiten zusammen hängt. Ich selbst bin an diesem Tiefpunkt im wahrsten Sinne des Wortes vorbei gelaufen.

Fakt ist, dass es jeden Morgen selbstverständlicher wird, aufzustehen und die Wanderschuhe anzuziehen. Jeder findet hierbei seinen eigenen Rhythmus. Ich selbst lernte als bekennender Spätaufsteher irgendwann die Magie und Stille des frühen Morgens schätzen. Ab diesem Zeitpunkt war es für mich selbstverständlich, morgens bei den allerersten dabei zu sein, die sich auf den Weg machten. Selbstverständlich ganz leise, um diejenigen nicht zu wecken, die eine andere Routine gefunden hatten.

Wenn Schmerzen egal werden und Schuhe zu klein

Der erste Muskelkater ist irgendwann überstanden. Als nächstes kamen bei mir die Blasen. Und auch diese hören irgendwann auf weh zu tun. Als nächstes meldeten sich meine Sehnen zu Wort. Leider kostet eine Packung Ibuprofen in Spanien nicht viel mehr, als in Deutschland eine Packung Smarties. Und Ibuprofen ist ja bekanntlich entzündungshemmend. Meine dritte Woche auf dem Jakobsweg war Ibuprofen-Woche. Sicherlich nichts, was ich zur Nachahmung empfehlen würde. Nichtsdestotrotz erschien es mir fast als das Normalste von der Welt. Schließlich hatte fast jeder um mich herum ständig eine Packung in Griffweite. Was sicherlich auch geholfen hat war, in jeder Bar nach Eiswürfeln zu fragen. Schuhe aus und kühlen.

Ich bin mir gar nicht sicher, ob nach einer Woche mit Ibuprofen meine Schmerzen weniger wurden. Vielleicht wurden sie mir auch einfach nur egal. Jedenfalls wurde das Laufen auch ohne Schmerzmittel wieder einfacher und ich war wieder einmal dankbar für jeden einzelnen Schritt, den ich laufen durfte.

Hinzu kam sicherlich auch, dass ungefähr zu dieser Zeit meine Schuhe den Kampf gegen meine Füße aufgaben. Hier rächte sich wieder einmal meine kurze Vorbereitungszeit. Hätte ich mich vorher informiert, dass die Füße auf dem Jakobsweg normalerweise größer werden, hätte ich mir vielleicht neue Wanderschuhe gekauft. So war ich einfach mit den Schuhe gestartet, die mir zu Hause bereits gute Dienste erwiesen hatten.

Camino-Fashion
Camino-Fashion

Dies bereute ich spätestens nach 2 Wochen. Temporär war ich teilweise mit einer Sandale und einem Wanderschuh unterwegs. Denn nach der Camino-Logik wären 2 Wanderschuhe im Rucksack einfach zu schwer. Hätte auch ein Trend werden können – immerhin waren wir zwischenzeitlich sogar 3 Pilger in diesem improvisierten Look. Aus diesem Grund war ich wirklich froh, als meine Schuhe zunehmend an den Seiten einrissen, und meine Füße wieder Platz hatten.

Ankommen bei Dir selbst und Laufen

Der schönste Weg auf dem Jakobsweg ist es wohl, wenn es irgendwann nur noch Dich und den Weg gibt. Alles andere ist schön, aber nicht mehr so wichtig. Ich denke an diesem Punkt kam ich an, als ich nach etwas mehr als 30 Tagen von Santiago de Compostela aus weiter lief. Und tatsächlich ist dies die Zeit, die ich am Intensivsten in Erinnerung behielt. Während gerade auf den letzten Kilometern vor Santiago eine Herausforderung darstellt, alleine zu laufen, wird es anschließend wieder ruhiger. Ganz egal, ob Du weiter in Richtung Finisterre / Muxia läufst oder Deinen Weg in entgegengesetzter Richtung auf einem der großen Jakobswege fortsetzt.

Natur und ich
Einfach nur Natur und ich

Für mich begann hier die Zeit der Stille. Alles was ich brauchte war es zu laufen. Wenn ich lief war ich glücklich. Ging ich abends ins Bett war ich erschöpft und glücklich. Wachte ich morgens auf war ich erholt und glücklich. Ganz egal, ob es nun regnete oder die Sonne schien. Ich bin mir nicht sicher, ob dies ein Zustand ist, den man erreichen kann, wenn man nur 2 oder 3 Wochen unterwegs ist. Dies ist auch der Grund, warum ich jedem empfehlen würde, so viel Zeit wie möglich auf dem Jakobsweg zu verbringen. Und vor allem auch, sich viel Zeit für sich zu nehmen.

Lohnt sich der Jakobsweg für eine Woche?

Auf dem Jakobsweg begegnete ich immer wieder Menschen, die nur begrenzt wenig Zeit zur Verfügung hatten. Oft waren es nur ein oder zwei Wochen, die sie frei bekommen hatten. Sicherlich wirst Du in einer kurzen Zeit weniger Erfahrungen machen, als wenn Du Dich länger auf den Weg begibst. Gleichzeitig wirst Du aber doch weitaus mehr Erfahrungen sammeln, als wärst Du gar nicht auf dem Jakobsweg gewesen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass jeder Tag, den man auf dem Jakobsweg verbringen darf, ein ganz besonderer Tag sein wird. Jeden Tag wird die Erfahrung eine etwas andere sein. Je länger Du unterwegs bist, umso intensiver wird die Erfahrung sein, die Du machen wirst. Daher kann ich jedem nur empfehlen, sich selbst auf den Weg zu machen. Ganz egal wie lange die Reise dauern wird.

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