Laufveranstaltungen & Coronavirus — Zeit für ein Umdenken?

Veröffentlicht von Kristina am

Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem die Auswirkungen des Coronavirus im Leben eines jeden Einzelnen spürbar geworden sind. Seien es einfach nur leer geräumte Supermarktregale oder vielleicht sogar erste Krankheitsfälle in unserem Umfeld. Auch in der Läuferwelt sind die Konsequenzen deutlich spürbar, wird derzeit eine Veranstaltung nach der anderen abgesagt.

Während ich vor 2 Wochen noch über die leeren Supermarktregale lächelte und um meine geplanten Laufevents bangte, fangen die Zahlen inzwischen an, mich zum Umdenken zu bewegen.

Leere Supermarktregale
Leere Supermarktregale in Zeiten des Coronavirus

Denn betrachtet man die Ausbreitungszahlen der Erkrankung, so wird deutlich, dass die Ausbreitung derzeit eher exponentiell als linear erfolgt. Das heißt alle paar Tage verdoppeln sich derzeit die Fallzahlen.

Eine hervorragende Übersicht über Zahlen und Fakten zum Thema Corona gibt es bei Our World in Data. Es wird deutlich, dass es nun wichtig ist, die exponentielle Ausbreitung zu stoppen. Stößt unser Gesundheitssystem sonst doch bald an seine Kapazitätsgrenzen, wie es in Norditalien bereits der Fall ist.

Das Ende neuer Bestzeiten durch das Coronavirus?

In Anbetracht der aktuellen Lage verschärfen sich weltweit die Sicherheitsbestimmungen. Täglich werden neue Regularien erlassen, welche reihenweise Veranstaltungsabsagen nach sich ziehen. Bei vielen Läufern ist der Unmut hierüber groß. Haben sie sich doch teilweise monatelang auf ein bestimmtes Laufevent vorbereitet, was nun doch abgesagt wird. Manch einer wollte seinen ersten Halbmarathon laufen, ein anderer vielleicht eine neue 10km-Bestzeit. Sich darüber aufzuregen, dass ein Event abgesagt wurde, holt die Veranstaltung nicht zurück. Es kostet lediglich Energie.

Laufschuhe an den Nagel hängen?
Das Coronavirus ist kein Grund, die Laufschuhe an den Nagel zu hängen

Keine Veranstaltung wird ohne Grund abgesagt

Was derzeit oft übersehen wird ist, dass wahrscheinlich kein einziger Veranstalter ein Laufevent ohne gute Gründe absagen würde. Insbesondere in die Organisation kleinerer Veranstaltungen ist üblicherweise viel (ehrenamtliche) Arbeit & Herzensblut geflossen. In den meisten Fällen sind es strenge Regularien von oben, die die Absage des Laufs erforderlich machen.

Auch die Liste größerer Laufevents, welche abgesagt oder verschoben werden, wird täglich länger. Und wieder scheint die größte Läufersorge an dieser Stelle zu sein, ob man das Startgeld wieder bekommt und ob man die Flüge — sei es nach Rom, Paris oder Lissabon — denn nun verfallen lassen solle. Dass die finanziellen Einbußen für den Veranstalter mit Sicherheit größer sind, als für den Einzelnen, scheint niemanden zu interessieren.

Es geht nicht nur um den Einzelnen!

Ist es wirklich das, was aus unserer Läufer-Gesellschaft geworden ist? Geht es im Leben wirklich nur darum, dass ich die neue Bestzeit, auf die ich trainiert habe, nun auch unbedingt an Tag X laufen muss? Darum, dass ich vielleicht Geld in einen Flug investiert habe, den ich nun doch nicht wahrnehmen werde? Sind Dankbarkeit und Mitgefühl völlig auf der Strecke geblieben?

Als Läufer sollten wir dankbar sein, dass wir einen Sport ausüben, den wir auch ohne diese öffentlichen Veranstaltungen ausüben können. Wir können sogar weiter trainieren, ohne zu riskieren, uns mit dem Coronavirus zu infizieren. Außerdem sind die meisten von uns aktuell noch gesund, denn sonst hätten wir noch weniger Grund, uns über die Absage eines Laufevents aufzuregen.

Die wahren Leidtragenden

Ja, auch ich habe meinen Flug nach Lissabon schon gebucht. Ich wollte ab Brüssel fliegen. Derzeit weiß ich allerdings noch nicht einmal, ob ich nächste Woche als Deutsche noch nach Belgien einreisen darf. Gleichzeitig ist dieser Flug für mich nicht überlebensnotwendig. Mir wird bewusst, dass ich viel zu selten dankbar dafür bin, dass ich mir diese Laufreisen überhaupt leisten kann. Denn auch das ist nicht selbstverständlich — wie mir beispielsweise der Marabana eindrucksvoll vor Augen geführt hat. Die wahren Leidtragenden des Coronavirus sind an dieser Stelle neben den Laufveranstaltern doch eher die Fluggesellschaften, die nun massenweise mit Stornierungen rechnen müssen. Und die trotzdem die Gehälter ihrer Mitarbeiter weiter bezahlen müssen.

Flugzeug
Bleiben die Flugzeuge zukünftig leer?

Gleiches gilt für die Hotelbetreiber. Die meisten Buchungen für Unterkünfte können kostenfrei oder für geringe Kosten noch bis kurz vor Buchungsantritt storniert werden. Klar ist das für mich als Reisenden in einer derartigen Situation von Vorteil. Aber was ist mit den Hotelbesitzern? Werden ihre Rücklagen ausreichen, um die Corona-Krise zu überstehen?

Was wir vom Coronavirus lernen können

Statt uns über die Absage der vielen Veranstaltungen zu ärgern, sollten wir das Ganze als Chance sehen. Als Chance dafür innezuhalten und uns wieder einmal zu fragen, warum und wofür wir eigentlich laufen. Bewusstsein dafür zu schaffen, dass viele Dinge eben keine Selbstverständlichkeit sind.

  • Es ist nicht selbstverständlich, dass wir die Gesundheit haben, uns monatelang auf ein Laufevent vorzubereiten.
  • Ebenfalls ist es nicht selbstverständlich, dass wir uns so frei bewegen können, dass wir an diversen Laufevents im In- und Ausland teilnehmen können.
  • Kritik an Laufevents ist immer schnell geäußert. Wir sollten häufiger dankbar für die vielen Freiwilligen sein, die hinter der Organisation vieler kleinerer Events stehen. Und die jedes Jahr aufs Neue versuchen, das Event so gut wie möglich zu machen. Und die wahrscheinlich viel mehr als die Teilnehmer selbst um das Stattfinden des Events bangen.
  • Es geht beim Laufen nicht nur um neue Bestzeiten. Es sollte vor allem auch darum gehen, Freude am Laufen zu haben.

Laufen ist für mich ein Sport, der viel mit Solidarität zu tun hat. Ich habe beim Laufen viele großartige Menschen kennen gelernt. Menschen, die sich gegenseitig helfen und unterstützen. Und genau darauf sollten wir uns jetzt besinnen. Wir sollten nicht wütend mit dem Finger auf die Veranstalter zeigen, die gerade das nächste Laufevent abgesagt haben. Vielmehr sollten wir Mitgefühl für die andere Seite zeigen. Seien es die Veranstalter selbst oder auch Reiseveranstalter und Hotelbesitzer.

Seid einfach dankbar dafür, dass Ihr überhaupt laufen könnt. Denn das kann Euch niemand nehmen. Derzeit ist vieles anders als wir es gewohnt sind. Doch es kommen auch wieder andere Zeiten. Und vielleicht nehmen wir dann einige Dinge wieder mit neuen Augen wahr.

Kategorien: Laufen